BRETT® Wohnmagazin

BY WOHNSEKTION

Von Shanghai nach Schladern – Back to the roots

Vor drei Jahren hat Esther, 44, Interior Designerin, gemeinsam mit ihrem Mann den Schritt aus der pulsierenden Megametropole Shanghai ins beschauliche Dörfchen Schladern im Rhein-Sieg-Kreis gewagt. Ich habe Sie in ihrem 130 m² großen Einfamilienhaus auf dem Land besucht und wollte wissen, wie es zu diesem ungewöhnlichen Schritt kam.

Home-Story mit Esther

Liebe Esther, normalerweise läuft es genau andersrum. Man zieht vom unspektakulären Dorf in die spektakuläre Großstadt. Was ist schief gelaufen?

[lacht] Keine Ahnung. Hättest du mich vor fünf Jahren gefragt, ob ich mal zurück in mein Heimatdorf ziehen möchte, hätte ich definitiv verneint. Aber vor ungefähr fünf Jahren ist meine Großmutter verstorben und hat mir überraschend ihr Haus vererbt. Damit fing es an. Zuerst dachten wir, dass es schön wäre, das Haus als Feriendomizil herzurichten, wenn wir in Deutschland auf Familienbesuch sind. Denn tatsächlich wohnen meine Eltern nur einen Steinwurf entfernt. Aber nachdem wir angefangen hatten, alles nach unseren Vorstellungen zu renovieren, fühlten wir uns so heimisch, dass wir eine verrückte Entscheidung trafen. Wir haben unsere Zelte in Shanghai kurzerhand abgebrochen und sind in die deutsche Provinz gezogen.

Unglaublich. Aber manchmal ist es richtig, auf den Bauch zu hören. Hast du früher viel Zeit im Haus deiner Großmutter verbracht?

Oh ja. In den Ferien war ich fast jeden Tag bei ihr. Meine Eltern waren beide berufstätig und da war es praktisch, dass Oma direkt um die Ecke wohnte. Oft sind wir zusammen zur nahe gelegenen Ruine der Burg Windeck gegangen und ich habe mir vorgestellt, wie die Zimmer der Burg wohl aussahen. Vielleicht hat sich damals schon die Liebe zum Interior Design abgezeichnet. Als kleine Hommage an vergangene Zeiten habe ich sogar eine Wand in unserem Wohnbereich mit Naturstein verkleidet. Quasi meine eigene kleine Burgmauer.

Gemütliche Sitzecke in moderner Küche

Schöne Idee. Allerdings bin ich überrascht, denn ich hatte damit gerechnet, dass es bei dir etwas asiatischer zugeht. Oder dass zumindest Feng Shui eine Rolle spielt.

Das höre ich nicht zum ersten Mal. Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber tatsächlich bin ich mit der Lehre des Feng Shui nie richtig warm geworden.

Tja, so kann`s gehen. Du hast bereits viele Häuser und Wohnungen eingerichtet. Was war dir bei deinen eigenen vier Wänden besonders wichtig?

Geborgenheit. Wenn ich unser Haus betrete, möchte ich mich so sicher und geborgen fühlen wie damals bei meiner Großmutter. Deshalb habe ich auf warme Töne in Verbindung mit Bronze, Gold und weichen Stoffen gesetzt. Damit das Ganze nicht zu wuchtig wird, setze ich gerne Akzente aus Glas. Und ich habe das ein oder andere Dekostück meiner Oma behalten. Die Vase auf dem Couchtisch hat sie geliebt. Als Kind fand ich das olle Ding wahnsinnig hässlich, aber heute verstehe ich, warum sie dieses Stück so sehr mochte.

Wohnen mit Holz

Wahrscheinlich tragen diese kleinen Dinge zum Wohlfühlklima bei. Tatsächlich spürt man die Wärme, sobald man das Haus betritt. Also alles richtig gemacht. Ich erkenne allerdings auch Elemente der Roaring Twenties. Was hat es damit auf sich? Und by the way, der Esstisch ist der Hammer.

Nicht wahr? Eins meiner besonderen Lieblingsstücke. Das Haus wurde 1923 gebaut und ich hatte das Gefühl, dass ich ihm zumindest ein Stückchen aus dieser Zeit zurückgeben müsste. Denn tatsächlich haben wir die Räume komplett neu geplant und fast keine Wand steht mehr dort, wo sie ursprünglich mal war. Wir bevorzugen ein offenes, lichtdurchflutetes Wohnkonzept und die kleinen Räume, die man damals hatte, standen im Gegensatz dazu. Neben den Wänden haben wir auch fast alle Fensteröffnungen verändert bzw. vergrößert. Besonders froh bin ich darüber, dass wir die bodentiefen Glasfronten im Wohnbereich verwirklichen konnten. Das stand lange auf der Kippe.

Definitiv ein Gewinn, es fühlt sich fast so an, als würde man direkt im Garten sitzen. Wenn ich es nicht wüsste, dann würde ich nicht glauben, dass dieses Haus fast einhundert Jahre auf dem Buckel hat. Was war besonders tricky bei der Umgestaltung?

Alles zu verändern, ohne etwas zu verändern. Damit meine ich, dass wir ein Heim kreieren wollten, dass unseren modernen Vorstellungen des Wohnens entspricht, aber gleichzeitig das nostalgische Flair vergangener Zeiten behält. An dieser Aufgabe bin ich fast verzweifelt, aber am Ende habe ich es ganz gut hinbekommen. Glaube ich zumindest.

Detail Schrank im Wohnzimmer

Absolut, du kannst dir ruhig auf die Schultern klopfen. Wie viel Mitspracherecht hatte eigentlich dein Mann bei dem ganzen Projekt?

Asche auf mein Haupt, denn er hatte nicht wirklich was zu sagen. Zudem ist er beruflich viel auf Reisen und war meistens einfach nicht vor Ort. Zum Glück vertraut er mir. Und ehrlich gesagt, bin ich ganz froh, dass er mir nicht reingeredet hat [lacht]. Wenn er da war, hat er allerdings Anzug gegen Blaumann getauscht und kräftig mit angepackt. Also war er nicht ganz unbeteiligt. Und mit dem Ergebnis ist er sehr zufrieden.

Sitzecke im Wohnzimmer erdfarben

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man am Ergebnis etwas auszusetzen hat. Alles wirkt sehr durchdacht und stimmig. Aber jetzt mal Butter bei die Fische. Wie sehr vermisst ihr das Großstadtleben?

Ehrlich gesagt nur sehr wenig. Shanghai ist ein unglaublicher Ort und die acht Jahre, die wir dort gelebt haben, waren fantastisch. Aber es ist eine vollkommen andere Welt. Laut, bunt und quirlig. Absolut nicht zu vergleichen. Hier auf dem Dorf haben wir die Ruhe und Langsamkeit wieder sehr zu schätzen gelernt. Allerdings wünsche ich mir manchmal die Anonymität der Großstadt zurück. Hier kennt jeder jeden und die Nachbarn wissen oft schon vor mir, was ich auf mein Frühstücksbrötchen schmiere. Das kann manchmal anstrengend sein. Überraschenderweise habe ich hier aber das Gefühl, wirklich zu Hause und angekommen zu sein.

Liebe Esther, das ist ein hervorragendes Schlusswort. Vielen Dank für die Einladung und die spannenden Einblicke.